Sie kennen uns als Spezialistin für Psychotherapien. Was hat das mit Menschenrechten zu tun?
Jeder Mensch hat ein Recht „auf das für ihn erreichbare Höchstmaß an körperlicher und geistiger Gesundheit“ (UN-Sozialpakt, Artikel 12) .
Somit ist die Basis unserer Arbeit, die psychische Gesundheit, ein
Menschenrecht!
Nicht jeder Staat hat die Möglichkeit, seinen Bürger:innen zu diesem Höchstmaß an Gesundheit zu verhelfen. Besonders in Ländern, in denen vergangene Konflikte und Terror viele Menschen traumatisiert haben, mangelt es an Versorgungsmöglichkeiten im psychotherapeutischen Bereich.
Die Jiyan Foundation wurde 2005 gegründet, um diese Lücke zu füllen und psychisch belastete Überlebende und Hinterbliebene von Opfern von Menschenrechtsverletzungen im Irak zu versorgen.
Seitdem ist viel passiert!
Wir verwenden die Sprache der Menschenrechte, um strukturelle Veränderungen in der irakischen Gesellschaft zu schaffen, die einen Rückfall in den Konflikt so zumindest unwahrscheinlicher machen.
VON EINER GESUNDHEITSEINRICHTUNG ZU EINER MENSCHENRECHTS-NGO
Da wir wissen, dass Gerechtigkeit eine große Rolle bei der Traumaverarbeitung spielt, haben wir die juristische Beratung von Überlebenden aufgenommen. In Kombination mit therapeutischer und sozialer Zusammenarbeit wird dies von den Ratsuchenden gerne angenommen. All diese Aufgaben finden nach einer erlebten Menschenrechtsverletzung, also reparativ, statt..
Zusätzlich wollen wir auch die Ursachen der Gewalt adressieren, um langfristig und umfassend für die Menschen im Irak arbeiten zu können. Wir investieren in Frieden, Justiz und Menschenrechtsbildung und haben so unsere Arbeit um zukunftsorientierte und präventive Aufgaben erweitert.
DAS RECHT AUF SICHERHEIT
Häusliche Gewalt, die wie in vielen Teilen der Welt ein großes Problem vor Ort ist, lässt sich ebenfalls als eine Menschenrechtsverletzung verstehen, denn „Jeder hat das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit der Person“*.
UNSER PRÄVENTIVER ANSATZ: Unsere Aufklärungs- und Sensibilisierungsveranstaltungen an Schulen und Camps zielen auf das Menschenrecht auf Sicherheit (und ebenfalls Bildung) ab. Die Kinder lernen ihre grundlegenden Menschenrechte kennen, denn nur wer über seine Rechte informiert ist, kann erkennen, wenn sie verletzt werden. Wir informieren Kinder wie sie sich schützen und wo Hilfe finden können, wenn sie mit Gewalt oder sexuellen Übergriffen konfrontiert werden. In unseren Familienberatungs-, Familientherapie und Sozialdiensten helfen wir betroffenen Familien Gewalt hinter sich zu lassen.
* Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, Artikel 3
DAS RECHT AUF BILDUNG
Das ethnisch und religiös vielfältige Land blickt auf eine gewaltvolle Geschichte zurück. In einem von Misstrauen geprägten Umfeld aufgewachsen, ist regelmäßiger und offener Austausch zwischen jungen Menschen aus unterschiedlichen Kulturen oder mit anderen religiösen Überzeugungen trotz räumlicher Nähe selten. Das Risiko wird größer, durch diesen Vorbehalt und Distanz in alte Konflikte zurückzufallen.
Um diesen Tendenzen entgegenzuwirken gibt im Recht auf Bildung das explizite Ziel, dass die Bildung „Verständnis, Toleranz und Freundschaft unter allen Völkern und allen rassischen, ethnischen und religiösen Gruppen fördern (…)“** muss.
UNSER PRÄVENTIVER ANSATZ: wir setzen uns für ein friedliches Zusammenleben zwischen verschiedenen Ethnien und Religionen durch Bildung und Kommunikation ein. Wir gestalten
Dialogveranstaltungen, in denen wir interreligiöse und interethnische Gruppen
zusammenbringen um Toleranz, Verständnis und Respekt zu fördern. Besuche von religiösen Stätten bieten den Teilnehmenden die Möglichkeit, die Traditionen und den Glauben Anderer kennenzulernen.
** UN-Sozialpakt, Artikel 13
DAS RECHT AUF WIEDERGUTMACHUNG
Vor zehn Jahren beging der sogenannte IS unter anderem die Menschenrechtsverletzung Sklaverei an jesidischen und anderen Frauen und Mädchen, denn „Niemand darf in Sklaverei oder Leibeigenschaft gehalten werden (…)“***. Alle Opfer von schweren
Menschenrechtsverletzungen haben das Recht auf vollständige Rehabilitation, die „die medizinische und psychologische Betreuung sowie rechtliche und soziale Dienste umfassen“**** soll. Diesen Anspruch der betroffenen Überlebenden auch wahrzunehmen, ist in der Realität oft schwierig, da es an Zugang zu Informationen, Beratungen und Hilfestellungen fehlt.
UNSER REPARATIVER ANSATZ: Deswegen begleiten wir IS-Überlebende bei der
Einforderung dieser Rechte. Gemeinsam mit anderen NGOs arbeiten wir als Bindeglied zwischen den Überlebenden und der Regierung. Somit erreichen wir ein stärkeres Gewicht in Verhandlungen und schaffen Raum für traumatisierte Menschen, ihre Bedürfnisse zu äußern und ihre Rechte durchzusetzen.
*** Universal Declaration of Human Rights, Article 4
**** UN General Assembly, Resolution 60/147, IX Article 21