ERBIL, Region Kurdistan im Irak – Die „Coalition for Just Reparations (C4JR)“ ist ein Bündnis irakischer NGOs, die umfassende Reparationen für Überlebende von Gräueltaten fordern, die während des ISIL-Konflikts im Irak verübt wurden. C4JR, die Jiyan Foundation for Human Rights und das International Centre for Health and Human Rights (ICHHR) stellen ihre neueste Veröffentlichung „Right to Rehabilitation as Reparation for Survivors of Grave Human Rights Violations“ (Recht auf Rehabilitation als Reparationen für Überlebende schwerer Menschenrechtsverletzungen) vor.

Heute, am Mittwoch, den 12. Juni, findet in Erbil zusammen mit IOM Irak, eine Veranstaltung statt, um den Leitfaden für Überlebende von ISIL-Verbrechen vorzustellen. Dr. Alice Jill Edwards (UN-Sonderberichterstatterin für Folter (SRT) und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe) ist ebenfalls anwesend. Sie möchte im Irak mit Überlebenden über ihren bevorstehenden Bericht sprechen und Feedback vor Ort erhalten. Dr. Edwards unterstützt auch C4JR, die Jiyan Foundation und andere NGOs bei ihrer Arbeit zur Schaffung tragfähiger Rehabilitationswege.

Dr. Alice Jill Edwards, UN Special Rapporteur on Torture (SRT)

Dr. Alice Jill Edwards, UN-Sonderberichterstatterin für Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung, am Montag, den 10. Juni 2024, im Büro der Jiyan Foundation for Human Rights im Gespräch mit Überlebenden in Duhok. Foto: Saber Saeed/C4JR

Der C4JR-Leitfaden ist das Ergebnis umfangreicher Forschung und Konsultationen unter der Leitung von Professorin Nimisha Patel vom ICHHR. Er soll dabei helfen, die Umsetzung des Gesetztes für überlebende Jesidinnen (Yazidi [Female] Survivors Law / YSL) zu überwachen und zu verbessern. Es soll sicher gestellt werden, dass Überlebende Zugang zu den von ihnen benötigten Rehabilitationsleistungen haben. Der Leitfaden befasst sich mit der Notwendigkeit einer systematischen Überwachung und Bewertung der Rehabilitationsrechte, die den Überlebenden der ISIL-Gräueltaten garantiert werden, und bietet Instrumente zur Bewertung und Sicherstellung der Umsetzung der Rehabilitationsrechte, die im YSL festgelegt sind.

Das am 1. März 2021 in Kraft getretene Gesetz stellt einen wichtigen Meilenstein in der Wiederherstellung des Iraks nach dem Konflikt dar, da es die Rehabilitation als eine wichtige Form der Wiedergutmachung anerkennt. Der Leitfaden unterstreicht, dass die Verwirklichung dieses Rechts kontinuierliche, engagierte staatliche Anstrengungen erfordert, und bietet einen strukturierten Ansatz zur Bewertung dieser Anstrengungen.

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Die Eröffnungsreden halten Dr. Yousif Salih, Direktor der klinischen Dienste der Jiyan Foundation for Human Rights, Dr. Dindar Zebari, KRG-Koordinator für internationale Advocacy-Arbeit, Sherri Kraham Talabany, Präsidentin der SEED Foundation, und Yoko Fujimura, Leiterin des Erbil-Büros der IOM Irak. Eine Grundsatzrede wird auch vom SRT gehalten.

Eine Podiumsdiskussion unter der Moderation von Professorin Nimisha Patel wird sich auf die Einrichtung eines funktionalen Rehabilitationsprogramms im Rahmen des YSL konzentrieren und Teilnehmer:innen aus verschiedenen Organisationen einbeziehen. Die heutige Veranstaltung soll eine Plattform bieten, um den Leitfaden vorzustellen, das Recht auf Rehabilitation zu diskutieren und die Fortschritte und Herausforderungen bei der Umsetzung des YSL zu bewerten. Sie wird irakische Beamt:innen, internationale Organisationen, NROs und Expert:innen zusammenbringen, um die Überlebenden auf ihrem Weg zur Rehabilitation zu unterstützen.

Dr. Bojan Gavrilovic, Leiter des Programms für Rechte und Gerechtigkeit bei der Jiyan Foundation/C4JR, und Dr. Alice Jill Edwards, UN-Sonderberichterstatterin für Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe in Duhok am Montag, den 10. Juni 2024.  
Foto: Saber Saeed/C4JR

„Menschenrechtsindikatoren werden benötigt, um die Kluft zwischen den Menschenrechten in Theorie und Praxis und den Menschenrechten auf dem Papier und im wirklichen Leben zu messen“, sagt Dr. Bojan Gavrilovic, Leiter des Programms für Rechte und Gerechtigkeit bei der Jiyan Stiftung für Menschenrechte/C4JR. „Im Zusammenhang mit dem Recht auf Rehabilitation, das im Rahmen des YSL versprochen wurde, können wir sie nutzen, um festzustellen, inwieweit die Qualitätsstandards für die Rehabilitation in konkrete, greifbare Maßnahmen vor Ort umgesetzt wurden“, erklärte er und hob die Bedeutung der Rehabilitationsindikatoren hervor.

„Ich möchte betonen, dass es sich hierbei nicht um Schuldzuweisungen oder Kritik geht. Wir bieten ein internationales Instrument durch die Möglichkeit, einen kollektiven Lernprozess in Gang zu setzen, der im Laufe der Zeit systematisch zur Verbesserung dessen beiträgt, was den Überlebenden zur Verfügung gestellt wird – damit sie eine möglichst umfassende Rehabilitation erhalten können – als Recht auf Wiedergutmachung“, fügte Dr. Gavrilovic hinzu.

Hauptbestandteile des Leitfadens

  • Menschenrechtsindikatoren: Der Leitfaden stellt eine Reihe von Menschenrechtsindikatoren vor, die vom ICHHR entwickelt und in Zusammenarbeit mit der Jiyan Foundation auf den irakischen Kontext zugeschnitten wurden. Diese Indikatoren dienen als Maßstäbe für die Bewertung der Einhaltung internationaler Rehabilitationsstandards und die Überwachung der wirksamen Umsetzung des YSL.
  • Methodik: Für die Anpassung dieser Indikatoren wurden zwischen Juni und Dezember 2023 umfangreiche Konsultationen mit den Beteiligten durchgeführt. Diese Konsultationen umfassten Überlebende, irakische NROs und internationale Expert:innen, um sicherzustellen, dass die Indikatoren sowohl kontextbezogen als auch praktisch anwendbar sind.
  • Praktische Schritte für die Umsetzung: Der Leitfaden bietet einen schrittweisen Ansatz zur Verwendung dieser Indikatoren inkl:
    – Einrichtung eines Überwachungsteams mit einschlägigem Fachwissen.
    – Entwurf und Umsetzung eines Systems zur Datenerfassung und -aufzeichnung.
    – Analyse und Interpretation der gesammelten Daten, um umsetzbare Berichte zu erstellen.
    – Nutzung dieser Berichte als Grundlage für die Lobbyarbeit und als Antrieb für die staatlichen Bemühungen zur Erfüllung der Rehabilitationsverpflichtungen.
  • Einbindung von Stakeholder: Ein weiterer wichtiger Aspekt des Leitfadens ist die Einbeziehung der Überlebenden in den Überwachungsprozess. Durch die Einbeziehung ihrer Erfahrungen und Rückmeldungen stellt der Leitfaden sicher, dass die Rehabilitationsdienste auf die tatsächlichen Bedürfnisse und Präferenzen der Überlebenden abgestimmt sind.

Erwartete Ergebnisse der Umsetzung des Leitfadens

  • Verbesserte Verantwortlichkeit: Durch die Verwendung standardisierter Indikatoren hoffen wir, dass die Stakeholder die irakische Regierung für ihre Verpflichtungen im Rahmen des YSL zur Rechenschaft ziehen können.
  • Verbesserte Rehabilitationsleistungen: Der strukturierte Ansatz des Leitfadens ermittelt Lücken und verbesserungsbedürftige Bereiche und kann so die Qualität und Zugänglichkeit der Rehabilitationsdienste für Überlebende zu verbessern..
  • Informierte Interessenvertretung: Die mit Hilfe des Leitfadens erstellten datengestützten Berichte bilden eine solide Grundlage für die Interessenvertretung und helfen dabei, Ressourcen und Aufmerksamkeit auf die dringendsten Bedürfnisse zu lenken..
  • Überlebenden-orientierter Ansatz: Wenn sichergestellt wird, dass die Stimmen der Überlebenden im Mittelpunkt des Überwachungsprozesses stehen, wird dies zu reaktionsfähigeren und wirksameren Rehabilitationsprogrammen führen..

Mitglieder der Coalition for Just Reparations (C4JR), darunter Yazda, DAK und Better World Organisation, mit UN-Sonderberichterstatterin Dr. Alice Jill Edwards, am Montag, 10. Juni 2024.
Foto: Saber Saeed/C4JR

Thematischen Bericht von UN-Sonderberichterstatterin

Anfang dieses Monats war C4JR stolz darauf, der UN-Sonderberichterstatterin unsere Stellungnahme für ihren bevorstehenden thematischen Bericht über Verbrechen der sexuellen Folter und andere Misshandlungen während bewaffneter Konflikte zu übermitteln, einschließlich der Gewährleistung von Rechtsbehelfen und der Rehabilitierung der Opfer und Überlebenden. Alle Opfer von Folter, Misshandlung oder anderen schweren Menschenrechtsverletzungen haben nach internationalem Recht ein Recht auf Rehabilitation.

Seit 2012 haben sich das normative Verständnis und die politische Unterstützung für das Recht von Überlebenden auf Rehabilitierung als Form der Reparation deutlich verbessert. Auf internationaler Ebene hat der UN-Ausschuss gegen Folter den Allgemeinen Kommentar Nr. 3 angenommen und der UN-Menschenrechtsrat hat die Resolution 22/21 zur Rehabilitation verabschiedet.

Hier weiterlesen (auf Englisch): C4JR Beitrag für den Bericht der UN-Sonderberichterstatterin über Folter: April 2024

Auf nationaler Ebene verabschieden die Staaten zunehmend Gesetze, politische Leitlinien und Aktionspläne, die ein spezifisches Recht auf Rehabilitation als eine Form der Wiedergutmachung für Überlebende und ihre Familien vorsehen. Das bahnbrechende YSL sieht zum ersten Mal im Irak die Rehabilitation als eine Form der Reparation vor. Ein offizielles Ziel des YSL ist es, die Überlebenden zu rehabilitieren und sie in die Gesellschaft zu integrieren. Dies soll durch die Eröffnung von Zentren für medizinische und psychologische Rehabilitation geschehen, in denen die Überlebenden Zugang zu angemessenen Rehabilitationsdiensten erhalten sollen. Der Besuch von Frau Dr. Edwards im Irak unterstreicht die Bedeutung der internationalen Zusammenarbeit und der gemeinsamen Anstrengungen, die erforderlich sind, um Überlebende von Folter und anderen schweren Menschenrechtsverletzungen anzugehen und zu unterstützen.